02
September
2018
|
14:00
Europe/Amsterdam

Zeitschreiber im Zeitraffer

Einblicke in die Herstellung des Modells 1815 CHRONOGRAPH

Von der Produktion der 306 Einzelteile bis zur Fertigstellung des Manufakturkalibers L951.5 vergeht fast ein Dreivierteljahr. Das mit Kolonnenradschaltung, Flyback-Funktion und exakt springendem Minutenzähler ausgestattete Chronographenwerk gilt unter Kennern als technische und ästhetische Meisterleistung. Seine Montage erfordert höchstes handwerkliches Können.

Unter den uhrmacherischen Komplikationen bietet der Chronograph seinem Besitzer das höchste Maß an Interaktion. Während die technische Komplexität eines ewigen Kalenders oder Tourbillons im Verborgenen wirkt, wird ein Chronograph immer wieder gestartet, gestoppt und zurückgesetzt. Die Uhrmacher bei A. Lange & Söhne stellen den kompromisslosen Anspruch an ihre Chronographen, dass sich diese Schaltvorgänge auch nach vielen Jahren noch genauso sicher und präzise ausführen lassen wie am Anfang.

Seit 2004 ist das Modell 1815 Chronograph ein wesentlicher Eckpfeiler der 1815-Uhrenfamilie. Seit dem Genfer Uhrensalon 2018 ist der Zeitmesser in vier Varianten erhältlich: Es gibt ihn in Weiß- oder Rotgold mit schwarzem oder argentéfarbenem Zifferblatt. Unter Puristen genießt das Modell Kultstatus, weil es Funktion und Design in reduzierter Vollendung bietet. Unter dem klar gestalteten Zifferblatt arbeitet ausgefeilte Technik. Durch den Saphirglasboden lassen sich die Schaltvorgänge leicht nachvollziehen. Zu erkennen sind das Kolonnenrad zur Steuerung der Stoppfunktionen, der Flyback-Mechanismus und der Minutenzählhebel für den exakt springenden Minutenzähler. Die patentierte Konstruktion lässt den Minutenzählerzeiger des 30-Minuten-Totalisators alle 60 Sekunden um genau einen Teilstrich vorrücken, und zwar auch dann, wenn die Zeitmessung zufällig im Nulldurchgang gestoppt wird. So ist der Minutenwert immer eindeutig ablesbar.

Je komplexer ein Mechanismus ist, desto höher sind die Anforderungen an die Uhrmacher, die mit seiner Montage betraut werden. Zu den größten Herausforderungen zählt der Aufbau des Chronographen-Mechanismus, vor allem dann, wenn das Werk mit Komplikationen wie einer Flyback-Funktion ausgestattet ist. Deshalb widmet sich bei A. Lange & Söhne ein Team erfahrener Experten dieser Spezialdisziplin. In diesem Bereich ist ein und derselbe Uhrmacher für das gesamte Lange-typische Verfahren der Erst- und Zweitmontage verantwortlich.

Montage des Kolonnenrads

Als A. Lange & Söhne Mitte der 1990er Jahre begann, ein eigenes Chronographen-Kaliber zu entwickeln, war die Entscheidung zugunsten einer klassischen Schaltradsteuerung schnell getroffen. Die erstmals im 19. Jahrhundert vorgestellte Konstruktion, bei dem die drei Schaltvorgänge – Starten, Stoppen und Nullstellen – über ein zentrales Kolonnenrad gesteuert werden, gilt als Ausdruck traditioneller Uhrmacherkunst. Das komplexe achtsäulige Kolonnenrad des Modells 1815 Chronograph ist aufwendig in seiner Herstellung und seine Montage bedarf größten Fingerspitzengefühls.

Montage des Flyback-Hebels

Zu den technischen Besonderheiten des Manufakturkalibers L951.5 gehört die Flyback-Funktion. Der auf die Anfänge der Fliegerei zurückgehende Mechanismus ermöglicht unmittelbar aufeinanderfolgende Zeitmessungen, indem er drei Schritte — Stoppen, Nullstellen und Neustarten — in einem zusammenfasst. Betätigt man den bei 4 Uhr angebrachten Chronographen-Drücker bei laufender Zeitmessung, wird diese augenblicklich angehalten und der Chrono-Zentrumzeiger springt auf die Nullposition bei 12 Uhr. Sobald man den Drücker loslässt, beginnt eine neue Zeitmessung. Bei der Montage des Flyback-Hebels besteht die größte Herausforderung in der genauen Justierung des deutlich wahrnehmbaren Druckpunkts.

Montage von Chrono-Zentrumrad und Nullstellherz

Die längste Welle des Werks verbindet das Chrono-Zentrumrad auf der Unterseite mit dem Chrono-Zentrumzeiger. Das fest mit dem Rad verbundene Nullstellherz stellt den Chrono-Zentrumzeiger am Ende einer Zeitmessung wieder auf null. Indem die Funktionsfläche des Nullstellhebels gegen das Nullstellherz drückt, bringt er dieses zusammen mit dem Chrono-Zentrumzeiger augenblicklich zurück in die Ausgangsposition.

Montage der Herzhebelfeder

Die Herzhebelfeder hält den Nullstellhebel unter Spannung. Wie alle anderen Komponenten wird auch dieses Teil aufwendig von Hand finissiert, bevor es seinen Weg auf den Tisch des Uhrmachers in der Chronographen-Montage nimmt. Um die Reibung zu minimieren, erhalten die Funktionsflächen eine aufwendige Flachpolitur, auf der auch nach der Montage nicht der kleinste Kratzer zu sehen sein darf. Die umlaufende Fase wird poliert, der Umfang geschliffen und die Oberseite mit einer Flachpolitur dekoriert.

Montage der Kupplungswippe

Von den 306 Einzelteilen des Manufakturkalibers L951.5 entfallen allein 13 auf die Kupplungswippe. Sie spielt eine zentrale Rolle beim Starten und Stoppen einer Zeitmessung. Sobald man den Drücker bei 2 Uhr betätigt, wird das Kolonnenrad um einen Schritt weitergeschaltet. Die Kupplungswippe fällt in eine der Lücken zwischen den acht Säulen, dann schwenkt sie das Chrono-Kupplungsrad zur Uhrwerksmitte. Der Kraftfluss zwischen Räderwerk und Chronographen-Mechanismus wird geschlossen und der Chrono-Zentrumzeiger beginnt zu laufen. So aufwendig wie die Form des komplexen Stahlteils ist auch seine handwerkliche Vollendung, denn die umlaufenden Fasen und spitzwinkligen Innenecken werden ausschließlich von Hand poliert. In die mit einem Strichschliff versehene Oberfläche ist ein auf Hochglanz poliertes Goldchaton integriert, das von drei thermisch gebläuten Schrauben gehalten wird.

Technische Polituren und Anpassungen

Obwohl bei A. Lange & Söhne alle Werkteile mit Fertigungstoleranzen im Tausendstel-Millimeter-Bereich hergestellt werden, muss der Uhrmacher während der Chronographen-Montage noch eine Reihe individueller Anpassungen vornehmen, bis alles perfekt harmoniert. Das gilt auch für die Kupplungswippe, deren Funktionsflächen Polituren erhalten, um Reibungsverluste auf ein Mindestmaß zu reduzieren und makellos auszusehen.

Montage des Schwingsystems

Für beste Gangwerte sorgt die große, bei A. Lange & Söhne entwickelte und gefertigte Unruh mit ihren sechs präzise einstellbaren Regulierexzentern. Durch Drehen der kleinen Gewichte lässt sich ihr Schwerpunkt verändern und damit auch der Gang der Uhr. Angetrieben wird sie von einer eben­falls hauseigenen, freischwingenden Unruhspirale. Diese ist genau auf die Charakteristik des Werks abgestimmt und arbeitet mit einer Frequenz von 18.000 Halbschwingungen pro Stunde. Der Uhrmacher fügt die Gangpartie erst ganz zum Schluss ein, wenn der Chronographen-Mechanismus bereits aufgebaut ist. Er muss sie daher mit äußerster Vorsicht im Werk positionieren.

Einstellungen und Drückertest unter dem Mikroskop

Nach der Zweitmontage kontrolliert der Uhrmacher das Werk noch einmal auf Herz und Nieren. Unter dem Mikroskop überprüft er die Eingriffstiefen aller Hebel und Zahnräder – zum Beispiel zwischen Kupplung und Chrono-Zentrumrad – und nimmt letzte Anpassungen vor. Darüber hinaus testet er sämtliche Schaltvorgänge, um die Funktionssicherheit zu gewährleisten und dazu beizutragen, dass der zukünftige Besitzer dauerhaft Freude an seiner Uhr hat.

Montage Zifferblatt und Zeiger

Kurz bevor der Uhrmacher das fertige Chronographen-Kaliber L951.5 in das Gehäuse aus massivem Weiß- oder Rotgold einschalt, montiert er die insgesamt fünf Zeiger auf ihre jeweiligen Wellen. Als Letztes ist der filigrane Chrono-Zentrumzeiger an der Reihe. Er besteht je nach Gehäusematerial aus vergoldetem oder gebläutem Stahl. Eine besondere Schwierigkeit besteht darin, den extrem dünnen und langen Zeiger exakt auf den Index bei 12 Uhr zu positionieren.

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