13
Oktober
2022
|
14:00
Europe/Amsterdam

Rückkehr eines Meisterwerks

Jahrhundert-Tourbillon wieder im Museum Bautzen

Eine der berühmtesten und wertvollsten Taschenuhren von A. Lange & Söhne ist wieder an ihren Ursprungsort, das Museum Bautzen, zurückgekehrt. Dort war sie in den Wirren am Ende des Zweiten Weltkriegs abhandengekommen. Die aufwendig gestaltete Goldsavonette mit einer kunstvollen Emaille-Malerei auf dem Sprungdeckel, die die Göttin Minerva zeigt, ist eines von nur wenigen Tourbillons der Glashütter Traditionsmanufaktur. Die von Emil Lange bei der Pariser Weltausstellung 1900 präsentierte Uhr mit der Nr. 41000 ging als „Jahrhundert-Tourbillon“ in die Geschichte ein.

Die als „Jahrhundert-Tourbillon“ bekannt gewordene Taschenuhr Nr. 41000 aus dem Jahr 1900 spielt eine Schlüsselrolle in der Geschichte von A. Lange & Söhne. 1892 hatte die Manufaktur mit der Produktion von Tourbillons begonnen. Laut Martin Hubers Standardwerk „Die Lange Liste“, das alle komplizierten Taschenuhren der damaligen Manufaktur ab 1866 erfasst, wurden zwischen 1892 und 1925 zwölf Tourbillons beschrieben. Jedoch nur bei neun von ihnen sind auch die Auslieferungen dokumentiert. Ein besonders prachtvolles Exemplar und eine technische Sensation ist die Nummer 41000. Ihr Werk kombiniert ein Minuten-Tourbillon mit einem Antrieb über Kette und Schnecke. Darüber hinaus verfügt es über die für Lange-Uhren charakteristische AUF/AB-Gangreserveanzeige.

Eine folgenreiche Inspiration

Der in jeder Hinsicht außergewöhnliche Zeitmesser inspirierte Walter Lange und Günter Blümlein nach der Wiedergründung 1990 zur Entwicklung des TOURBILLON „Pour le Mérite“. Mit dieser wegweisenden Uhr war es der Manufaktur erstmals gelungen, die gleiche Verbindung uhrmacherischer Komplikationen auf zeitgemäße Weise im kleineren Armbanduhrformat zu realisieren. Damit erbrachte A. Lange & Söhne den Beweis, dass die Marke ihre einstige Spitzenposition in der Feinuhrmacherei zurückerobert hatte. Seit seiner Premiere im Jahr 1994 gehört das TOURBILLON „Pour le Mérite“ zu den faszinierendsten Armbanduhren der Welt. Unter Sammlern gilt es als eines der begehrtesten Modelle, denn es erzielt bei Auktionen regelmäßig Höchstpreise.

Großer Auftritt in Paris

Die Taschenuhr Nr. 41000 wurde 1900 zunächst an den Sächsischen Hofjuwelier Paul Thimig in Dresden ausgeliefert, der sie zum Preis von 1.500 Goldmark an den Bautzener Druckereibesitzer Otto Weigang verkaufte. Der Unternehmer besaß eine Sammlung bedeutender Taschenuhren und unterhielt darüber hinaus geschäftliche Beziehungen zur damaligen Manufaktur

A. Lange & Söhne. In seiner Chromolithographischen Kunstanstalt wurden seinerzeit besonders hochwertige Werbematerialien für viele sächsische Manufakturen gedruckt. Vor der Auslieferung der Uhr nahm Emil Lange, der das Unternehmen seit 1887 in zweiter Generation als Alleininhaber führte, die Uhr als Schaustück mit nach Paris, wo er als Mitglied des internationalen Preisgerichts in die Jury der Weltausstellung 1900 berufen worden war.

Hommage an Wissenschaft und Kunst

Vermutlich zu diesem Zweck hatte Emil Lange die Uhr aufwendig ausstatten lassen. Das platinierte Goldgehäuse wurde mit kunstvollen Gravuren im Stil der Neorenaissance dekoriert. Die polychrome Emaille-Miniatur auf der Vorderseite zeigt eine allegorische Darstellung der römischen Weisheitsgöttin Minerva neben einer Weltkugel. In ihrer linken Hand hält die Schutzpatronin der Händler, Handwerker und Künstler einen Olivenzweig als Friedenssymbol und in der rechten einen Lorbeerkranz als Siegessymbol und stellt somit den Glauben an den Sieg des Friedens durch wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Fortschritt dar. Der Hintergrund verweist auf den Anlass, für den diese Uhr geschaffen wurde. Deutlich erkennt man die am damals so bezeichneten „Quai des Nations“, dem heutigen Quai d’Orsay, extra für den Zweck der Weltausstellung aufgereihten Länder-Pavillons. Die Gravur einer über dem Meer aufgehenden Sonne steht für den Aufbruch in ein neues Zeitalter – das mit großen Hoffnungen erwartete 20. Jahrhundert. Da Emil Lange selbst Mitglied der Jury war, konnte er die Uhr nur außerhalb des Wettbewerbs zeigen, wo sie unter Fachleuten für großes Aufsehen sorgte. In Anerkennung seiner Jurorentätigkeit und dieser uhrmacherischen Ausnahmeleistung wurde er nachträglich 1902 zum Ritter der französischen Ehrenlegion ernannt. 

Eine bewegte Geschichte

Nach dem Tod von Otto Weigang im Jahr 1914 ging das Jahrhundert-Tourbillon zusammen mit anderen Taschenuhren und Kunstwerken seiner umfangreichen Sammlung in den Besitz des Museums Bautzen über. In den Nachkriegswirren verschwand der kostbare Zeitmesser 1945 aus einem Außendepot, in das Teile der Sammlungen vor Bombenangriffen in Sicherheit verbracht worden waren. Danach verlor sich seine Spur, bis er im Jahr 1976 auf der von Martin Huber initiierten legendären Sonderausstellung mit außergewöhnlichen Lange-Taschenuhren in München erstmals wieder präsentiert wurde. “Ich bin Martin Huber sehr dankbar dafür, diese Ausstellung organisiert zu haben. Er hat großen Anteil daran, dass der Name Lange wieder stärker ins Bewusstsein all derjenigen gerückt wurde, die den Glauben an und die Faszination für diese einzigartigen mechanischen Uhren nicht verloren haben,“ erklärte Walter Lange nach dem Neubeginn 1990.

Seither wurde die Taschenuhr Nr. 41000 mehrfach versteigert. Zur jüngsten Auktion bei 
Sotheby’s in London im Frühjahr 2019 sollte es nicht mehr kommen. Die Stadt Bautzen setzte sich mit dem Auktionshaus in Verbindung und entschied sich dafür, die Uhr angesichts ihrer überragenden kulturgeschichtlichen Bedeutung zurückzuerwerben. „100 Jahre nach der ersten Schenkung kommt die Uhr nun zurück nach Bautzen“, erklärte der damalige Oberbürgermeister Alexander Ahrens während der feierlichen Übergabe im Juni 2022: „Es geht hier um ein Stück sächsischer Industriegeschichte, um ein Stück Bautzner Geschichte.“

Lange-CEO Wilhelm Schmid freut sich über die positive Wendung: „Die Rückkehr des Jahrhundert-Tourbillons in die Sammlung des Museums Bautzen macht dieses einzigartige Beispiel sächsischer Feinuhrmacherei endlich wieder der Öffentlichkeit zugänglich und verschafft ihm die verdiente Aufmerksamkeit. Technisch, künstlerisch und handwerklich hat diese Uhr Maßstäbe gesetzt und wesentlich zum historischen Renommee von A. Lange & Söhne beigetragen. Es ist der gleiche Anspruch an technische Perfektion und höchste handwerkliche Vollendung, mit dem wir unsere Zeitmesser auch heute wieder entwickeln und fertigen.“

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