25
November
2019
|
15:00
Europe/Amsterdam

Gestochen scharf

In den Gravuren von A. Lange & Söhne verbinden sich Kunst und Handwerk zu echter Handwerkskunst

Es gibt einige Merkmale, die alle Zeitmesser von A. Lange & Söhne gemeinsam haben, zum Beispiel die Veredelung der einzelnen Bauteile. Und da wiederum ist es vor allem die händische Gravur des Unruhklobens. Sie sticht einem sofort ins Auge, wenn man die Uhr umdreht und durch den Saphirglasboden das Werk anschaut. Schon die Taschenuhren der alten Manufaktur trugen eine solche Gravur. Das Motiv hat sich in all den Jahren auch nicht geändert: Eine Blume um die zentrale Schraube des Klobens und ringsum florale Muster, die sich in jede Ecke biegen und dann eingerahmt werden von einer feinen Linie, die dem Umriss des Klobens folgt.

Dieses grundsätzlich festgelegte Muster gestaltet jeder Graveur individuell – indem er beispielsweise selbst festlegt, wie viele Blütenblätter er graviert. Außerdem unterscheidet sich jeder einzelne Kloben durch den Schwung der Gravur und die Tiefe des Stichs und den Winkel der Linien. Das wiederum beeinflusst den Glanz des Werkstücks, weil dieser Winkel über den Grad der Reflexionen entscheidet.

Dies alles ist abhängig von der Kraft, mit der ein Graveur den Stichel führt. Außerdem macht es einen Unterschied, ob er es mit der rechten oder der linken Hand tut. Oder ob er, wie es wenige Graveure in der Manufaktur beherrschen, den Stichel mit einer Hand halten, aber in beide Richtungen führen kann. Auch das Werkzeug selbst hat einen Einfluss auf das spätere Kunstwerk. Jeder Graveur fertigt deshalb seine eigenen Stichel selbst. Er passt den Griff und die Länge des Stahls seinen Händen an, er schleift die Stichel so, dass sie perfekt zu seinem Stil passen und zu seiner Art, das Werkzeug zu führen. So individuell ist dieses, dass er es sogar merken würde, wenn ein anderer Graveur es einmal benutzt. Denn auch der Gebrauch des Stichels verändert das Schnittbild.

Daher gehört die Pflege der Werkzeuge zu den wichtigsten Aufgaben jedes Graveurs. Regelmäßig überprüft er mit dem Mikroskop die Brillanz der gestochenen Linien und die Spitze des Stichels, um schon die kleinste Abnutzung zu erkennen und das Werkzeug dann neu zu schleifen. Sein Werkzeugsatz umfasst die verschiedensten Varianten: Spitzstichel, Bollstichel, Facettenstichel, Fadenstichel, Flachstichel. Und noch einige weitere Spezialstichel.

Dreieinhalb Jahre dauert die Ausbildung für diesen künstlerischen Handwerksberuf. Die Herausforderungen bei der Arbeit liegen in der Kleinheit des Motivs, der Form des Werkstücks und der Härte des Materials. Fast jeder Arbeitsschritt eines Graveurs bei Lange findet unter dem Mikroskop bei zehn- bis zwölffacher Vergrößerung statt. Das wiederum macht vor allem das Bearbeiten gebogener Formen schwierig, weil der Schärfebereich eines Mikroskops nur wenige Millimeter umfasst. Und besonders störrisch verhalten sich dann noch die bevorzugten Materialien wie Neusilber oder Platin, die allesamt härter sind als traditionelles Silber und weiches Gold.

Trotzdem gibt es kaum ein Motiv, das die Meistergraveure auf Kundenwunsch nicht realisieren könnten. Am häufigsten werden Initialen auf dem Unruhkloben gewünscht, aber das Familienwappen oder ein Konterfei des Besitzers auf einem massiv goldenen Uhrenboden statt des Glasbodens sind ebenso möglich. Sogar das Porträt des Firmengründers Ferdinand Adolph Lange wurde schon einmal nachgefragt.

Die Gravuren selbst lassen sich dabei prinzipiell in drei verschiedene Arten unterteilen. Die eine ist der Flachstich, bei dem der Umriss des Motivs mit dem Stichel im freien Schnitt aus dem Metall herausgestochen wird. Diese Technik macht es möglich, feingeschwungene Linien in ebene Oberflächen zu schneiden. Sie eignet sich deshalb besonders gut für grafische Motive wie Schriften oder florale Muster. Bei den Jubiläumsmodellen GROSSE LANGE 1 MONDPHASE „25th Anniversary“ und KLEINE LANGE 1 MONDPHASE „25th Anniversary“ kommt diese Technik erstmals bei der Bearbeitung einer Mondscheibe zum Einsatz. Durch Handgravur werden sechs Sterne und zahlreiche kleine Punkte aus massiven Weißgold herausgearbeitet, die den Sternenhimmel darstellen.

Eine andere Technik ist die Reliefgravur, bei der so viel Material aus dem Werkstück entfernt wird, bis das Motiv als erhabene, dreidimensionale Form übrig bleibt. Für kompliziertere Motive braucht ein Meistergraveur dabei oftmals mehrere Tage.

Eine dritte, seltener anzutreffende Technik ist die Tremblage. Bei Lange werden damit zum Beispiel besondere Zifferblätter für HANDWERKSKUNST-Editionen veredelt. Dabei wird die gesamte Fläche aus acht verschiedenen Richtungen mit dem Stichel bearbeitet, wodurch am Ende eine ganz fein strukturierte Satinierung erreicht wird.

Alle drei Techniken haben eine lange Tradition in der sächsischen Feinuhrmacherei des 19. Jahrhunderts. Und dort ganz besonders bei den Lange-Taschenuhren in 1-a-Qualität. Einer der besten Glashütter Graveure damals war Gustav Gessner, der im Auftrag von A. Lange & Söhne mit seinen Gravuren Taschenuhren in echte Kunstwerke verwandelte. Dieser Tradition folgen auch heute noch die Lange-Graveure – jeder in seinem eigenen, unverkennbaren Stil. So unverkennbar, dass sie beim Blick durch das Mikroskop feststellen können, wer von ihnen eine Gravur ausgeführt hat.

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